Spass mit Pferd
Motivation und Harmonie durch positive Bestärkung

Die Sache mit der Dominanz

Verhaltensauffälligkeiten werden nicht selten auf das Bestehen von Dominanzproblemen reduziert. Pferde, die beim Führen überholen und drängeln, Hunde, die an der Leine ziehen, an Türen immer vorausgehen oder ihr Futter verteidigen – alles nur eine Frage der Hierarchie?
Die Klärung der Rangordnung dient als Lösungsansatz für eine Vielzahl an Problemen. Dominanzübungen und Rituale zur Unterordnung werden als Allheilmittel gegen fast jedes auftretende Problem empfohlen. Doch kann ein Tier wirklich nur dann gehorchen und frei von Problemen im Umgang sein, wenn es sich dem Menschen unterwirft und eine niedrigere Rangposition im Rudel einnimmt?


Dominanz wird nicht selten mit dem Befriedigen von Bedürfnissen verwechselt.

Zunächst einmal sollten wir uns überlegen, wie Dominanzhierarchien entstehen und unter welchen Umständen sie zu Stande kommen. Prinzipiell erfolgt die Ausbildung von Herdenstrukturen immer nur innerhalb einer Art. Das Tier wird innerhalb der sogenannten sensiblen Phase auf seine Artgenossen geprägt. Es weiß, welcher Art es zugehört und wird daher niemals anstreben, ins Menschenrudel aufgenommen zu werden. Mensch und Tier unterscheiden sich in vielen Punkten in ihren Verhaltensweisen und durch ihre Umwelt. Sie besitzen unterschiedliche Sinneswahrnehmungen und leben nach verschiedenen Werten. Ein Tier in Menschenhand ist mit allem versorgt, was es braucht. Es erhält Futter, Wasser und Schutz. Das Tier hat keinen Grund, einen höheren Rang anzustreben, da es sonst selbstständig für diese Ressourcen aufkommen müsste.

Hierarchien werden durch streng ritualisierte Verhaltensabfolgen etabliert. Tänze, Verhaltensweisen wie Markieren oder Scharren, sowie Kommentkämpfe, also Kämpfe mit einer genau festgelegten Abfolge von Verhaltensweisen, bei denen die Verletzungsgefahr der Kontrahenten relativ gering ist, sorgen dafür, eine auf Verhaltensdominanz gründende Hierarchie in der Gruppe oder der Population zu errichten. Der Gewinner einer Auseinandersetzung dominiert über den Verlierer. Für den Sieger bedeutet die Dominanzstellung in der sozialen Gruppe, einen bevorrechtigten Zugang zu allen umstrittenen Ressourcen zu erhalten, die für den eigenen Fortpflanzungserfolg förderlich sein können: Nahrung, Paarungspartner und Revier.


Eine lieb gewonnene Ressource wird manchmal vehement verteidigt.

Klingt das nach einer Beziehung, wie sie zwischen Mensch und Tier typisch ist? Ich denke nicht. Tiere zeigen im Umgang und Training keine echte Dominanz, sondern Ressourcenkontrolle. Der Hund am Sofa strebt nicht nach Macht, sondern liebt seine erhöhte Position, von der aus er alles gut beobachten kann und den damit verbundenen Komfort. Der Hund, der immer voran durch die Tür drängelt, ist nicht dominant, sondern einfach nur aufgeregt und hat nicht gelernt, zu warten. Das Pferd, das sein Futter verteidigt und beißt, möchte uns nicht die Rudelführung streitig machen, sondern hat schlichtweg Angst, etwas weg genommen zu bekommen. Nicht selten resultiert dies aus schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit.


Richtiges Verhalten kann erlernt werden.

Das Pferd, das uns im Umgang immer wieder rempelt, bedroht oder schnappt, hat im alltäglichen Zusammenleben mit uns Stress, den es auf diese Weise kanalisiert. Vielleicht haben wir es unbewusst unter Druck gesetzt, indem wir es für sein Fehlverhalten bestraft und so die Situation noch schlimmer gemacht haben. Da Aggressionsverhalten gegenüber Menschen oder Artgenossen fast immer mit Angst oder Stress in Verbindung steht, können wir sicher sein, den ein oder anderen vorausgegangenen Hilferuf unseres Tieres schlichtweg überhört zu haben.


Verladeprobleme sind kein Zeichen für mangelnde Bereitschaft zur Unterordung, sondern resultieren
aus falsch erlernten Verhaltensweisen.


Tiere zeigen dem Menschen gegenüber also keine echte Dominanz, sondern verteidigen lediglich die Ressourcen, die ihnen vermeintlich zustehen. Oftmals werden Verhalten auch bestätigt, weil sie unbewusst bestärkt bzw. nicht korrigiert werden. Methoden, die das Tier im Rang herabsetzen sollen, sind demnach nicht zielführend, da sie das eigentliche Problem nicht lösen. Mehr noch: Sie setzen das Tier enorm unter Druck, degradieren es zum willenlosen Befehlsempfänger und lassen es Stück für Stück verzweifeln, weil es keinen Ausweg für sein Dilemma erkennt.

Erst wenn wir verstehen, warum ein Tier ein bestimmtes Verhalten zeigt, wir die Motive kennen und die Faktoren, die das Tier dazu motivieren, können wir ein Verhalten langfristig korrigieren. Dazu gehört auch die nötige Konsequenz, Regeln aufzustellen und einzuhalten, die unser Zusammenleben gestalten. Sie geben dem Tier Sicherheit und Orientierung und sorgen für ein harmonisches Miteinander. Nicht zuletzt sollten wir auch dafür sorgen, dass unser Vierbeiner mit allem versorgt ist, was er braucht. Dass es ihm gut geht, seine Bedürfnisse befriedigt werden und wir darauf achten, was er uns zu sagen hat.

 
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