Spass mit Pferd
Motivation und Harmonie durch positive Bestärkung

Alle Jahre wieder lockt das Gras

Mit den steigenden Temperaturen beginnt auch das erste Grün zu sprießen und verleitet an allen Ecken dazu, Arbeit Arbeit sein zu lassen und die Prioritätenliste zu Gunsten der Nahrungsversorgung zu verschieben. Gerade bei der Freiarbeit, einer konzentrierten Longiereinheit oder einem entspannten Ausritt kann das schnell lästig werden. Reißt das Pferd dem Reiter die Zügel aus der Hand und zieht zum Gras, ist das Kind meistens schon in den Brunnen gefallen.


Entspanntes Longieren ist auch unter Ablenkung möglich.

Neben den bekannten Lösungswegen bietet es sich an, Futtermanieren und Höflichkeit durch positive Verstärkung zu erarbeiten. Besonders gut geht das mit dem Clicker, einem akustischen Signal, mittels dessen man erwünschtes Verhalten in der Sekunde markiert, in der es passiert und dadurch eine Brücke zur Belohnungsgabe schafft. Beim so genannten Clickertraining plant man kleinste Schritte in Richtung Zielverhalten, um den Lernstoff besonders gut aufzubereiten und nachhaltig zu verankern. Man optimiert Übungsaufbau und Trainingsplatz, sodass das Tier das angesetzte Ziel erfolgreich bewältigen kann und ein positives Lernerlebnis erfährt.

Um unserem Pferd zu verdeutlichen, dass richtiges Verhalten sich rechnet, nehmen wir ein kleines Stück Futter in die Hand, zeigen es dem Pferd und schließen die Hand zur Faust. Es empfiehlt sich, mit niederwertigem Futter zu beginnen, um unerwünschtes Verhalten wie Betteln oder Rempeln nicht zu provozieren.


Weniger begehrtes Futter erleichtert den Einstieg.

Ebenso erleichtert es das Handling anfangs, über eine starre Barriere, wie zum Beispiel einen massiven Holzzaun, zu arbeiten. Beginnt das Pferd zu betteln, kann man gefahrlos einige Schritte zurücktreten, um dem Tier zu signalisieren, dass unerwünschtes Verhalten sich nicht rechnet. Niederwertiges Futter ist auch deshalb wichtig, um dem Pferd die Entscheidung, sich vom Futter abzulösen, zu erleichtern.
Man geht sozusagen vom Leichten zum Schweren - beginnt mit sehr kleinen Futtermengen und wenig beliebten Futtermitteln, wie zum Beispiel einem Büschel Heu, einem Stück Sellerie oder einer Hagebutte. Sobald sich das Pferd ein klein wenig von der Futterhand abwendet, öffnen wir die Hand und belohnen die erwünschte Reaktion, indem wir dem Pferd das Leckerlie anbieten.


Abwenden von der Futterhand wird markiert und belohnt.

Ist das Pferd bereits mit dem Clicker vertraut, clicken wir in der Sekunde, in der sich das Pferd von der Futterhand löst und belohnen wie oben beschrieben. Gerade bei stark futterorientierten Pferden eignet sich der Clicker als Hilfestellung, um dem Tier zu verdeutlichen, dass es die Belohnung nur nach dem Signal (dem Click) gibt. Hält man sich konsequent an diese Abmachung und bietet Belohnungen nur nach vorangegangener Leistung und dem Markieren derer mittels Clicker an, hat man gute Karten, dass Betteln bald der Vergangenheit angehört.

Klappt diese erste Übung nun reibungslos, beginnt man, das Ganze etwas schwieriger zu machen - öffnet die Futterhand, ohne jedoch das Pferd das Leckerlie nehmen zu lassen. Unerlaubtes Annähern wird mit Schließen der Hand korrigiert. Akzeptiert das Pferd die geöffnete Hand für einen kurzen Moment, betätigen wir den Clicker oder geben dem Pferd das Okay (ein akustisches Signal ist hilfreich) und lassen es das Leckerlie nehmen.


Sukzessive wird die Präsentationsdauer erhöht.

Nun beginnen wir, die Dauer, mit der das Leckerlie präsentiert wird, zu verlängern. Ratsam ist es hierbei, die Dauer nicht konstant zu verlängern. Besser geeignet sind variable Zeitabstände - mal öffnet man die Hand für drei Sekunden, mal für sechs, dann wieder für vier. Das ist wichtig, um die Übung unvorhersehbar und spannend für das Pferd zu halten. Wenn das Pferd nicht weiß, ob der nächste Click nach zehn oder vielleicht schon zwei Sekunden kommt, wird es in der Regel motivierter an der Sache dran bleiben und länger durchhalten.

Nun variieren wir die Wertigkeit des Futters - tauschen das Heu gegen kleine Karottenscheiben oder einzelne Grashalme. Da dies schwieriger ist, beginnen wir wieder mit winzigen Momenten, in den denen sich das Pferd vom Futter abwendet und steigern anschließend erneut die Dauer.


Mit der Zeit wird die Wertigkeit des Futters langsam gesteigert.

Sind die Basics erstmal installiert, sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Nun können wir das Futter beispielsweise auslegen und zur Absicherung einen Fuß drauf platzieren, damit das Pferd sich nicht selbst belohnen kann. Auch hier beginnen wir wieder mit kleinen und wenig verlockenden Futterstücken und geringer Dauer. Löst unser Pferd diese Aufgabe erfolgreich, können wir uns selbst etwas vom Futter entfernen, was die Übung schwieriger macht.


Schritt für Schritt wird die Distanz zum Pferd vergrößert.

Um das Pferd zusätzlich zu motivieren, können wir nach dem Click eine höherwertigere Belohnung anbieten, das Pferd diese fressen und zusätzlich das Leckerlie vom Boden nehmen lassen. Das Pferd lernt dadurch, dass höfliches Verhalten sich doppelt rechnet - es bekommt immer noch das Leckerlie, das es eigentlich möchte, wird zusätzlich für das Warten außerdem mit einem "Superleckerlie" belohnt.


Eindeutige Signale erleichtern die Kommunikation.

Hat das Pferd das Prinzip erst mal verstanden, kann man es aufs echte Leben übertragen. Dabei ist es ratsam, die Weichen erneut bereits im Ansatz auf Erfolg zu stellen - das Pferd also beispielsweise erst mal einige Zeit grasen zu lassen, bis das Gras an Attraktivität einbüßt, und dann mit dem Training zu beginnen. Oder wir wählen einen Trainingsbereich, an dem nur spärlich Gras wächst, was die Aufgabe erleichtert.


Das Prinzip Höflichkeit lässt sich auch auf Alltagssituationen übertragen.

Ist das Pferd nun mit Grasen beschäftigt, haben wir mehrere Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit zurück zu holen. Wir fangen zufälliges Kopfheben, Blickkontakt, generell alles, was nicht Grasen ist, ein und belohnen dies mit Futter und der Erlaubnis, weitzugrasen. Als Belohnungsfutter sollten wir idealerweise Futter wählen, das extrem hochwertig und begehrt ist und das das Pferd üblicherweise nie bekommt.
Wird Abwenden vom Gras im Laufe des Trainings verstärkt angeboten, können wir beginnen, ein Signal zu addieren, das bedeutet, hör auf zu fressen. Geeignet ist dafür ein akustisches Signal (Stimmkommando, Bussi-Geräusch), das das Pferd auch wahrnehmen kann, wenn die Nase tief im Gras steckt.


Lässt sich das Pferd jederzeit vom Gras abrufen, kann konzentriert gearbeitet werden.

Eine andere Möglichkeit ist es, das Signal klassisch zu konditionieren. In dem Fall fangen wir nicht das Umorientieren vom Gras ein, sondern geben das zukünftige Signal, während das Pferd noch frisst, und bieten in der nächsten Sekunde eine hochwertige Belohnung an. Wiederholen wir das einige Male, wird das Pferd sich in Erwartung auf die Belohnung nach der Gabe des Signals uns zuwenden, um sich das Leckerlie abzuholen.


In Erwartung auf das Leckerlie hebt das Pferd die Nase aus dem Gras.

Auch das Abfragen eines Alternativverhaltens, das wir zuvor ohne Ablenkungen trainiert haben, ist geeignet. Wir können das Pferd beispielsweise ans Handtarget holen, es also auf ein Signal hin die Hand als Zielobjekt berühren lassen. Hierfür belohnen wir zunächst jedes Hinschauen und Annähern zur Hand bis hin zur fertigen Berührung.


Mit dem Handtarget wird das Pferd vom Gras wegdirigiert.

Um das Handtarget nun auch unter Ablenkungen abzurufen, legen wir in einiger Entfernung Futter aus, wobei sich wieder kleine, wenig attraktive Futterstücke eignen. Damit das Pferd sich nicht selbst belohnen kann, sichern wir die Futterstelle durch eine Hilfsperson ab oder indem wir selber rechtzeitig das Leckerlie entfernen oder den Fuß drauf stellen.
Berührt das Pferd nun trotz Ablenkung das Handtarget, clicken und belohnen wir mit hochwertigem Futter und dem Okay, das ausgelegte Leckerlie nehmen zu dürfen. Mit der Zeit verringern wir nun die Distanz zum ausgelegten Futter und testen das Handtarget schließlich im echten Leben, während wir das Pferd grasen lassen.


Auch ein sogenannter Targetstick ist für diese Arbeit geeignet.

Lässt sich das Pferd gut mittels Handtarget vom Gras lösen, können wir beginnen, ein paar Schritte am Handtarget abzufragen. Dabei empfiehlt es sich, diese Übung erst mal ohne Ablenkungen zu trainieren, indem wir dem Pferd die Hand in geringer Entfernung anbieten und jedes Annähern und Berühren belohnen. Danach belohnen wir für längeres Berühren der Hand und lassen das Pferd schließlich dem Handtarget folgen.
Dieses Prinzip können wir nun anwenden, um das Pferd über eine Wiesenfläche zu führen. Um es nicht zu schwieriger zu machen, verlangen wir nur wenige Schritte, belohnen mit hochwertigem Futter und der Erlaubnis zum Grasen. Mit fortschreitendem Training können wir die zurückgelegte Strecke nun steigern, bis wir schließlich nur mehr am Ende der Strecke clicken und belohnen.


Das Pferd folgt dem Target über die verlockende Wiese.

Auch hier ist es hilfreich, unvorhersehbar zu belohnen und auch zwischendurch ein paar Clicks und Belohnungen zu verteilen, selbst wenn das Pferd irgendwann die gesamte Strecke bewältigt, ohne zum Gras zu ziehen. Zur Absicherung sollten wir stets Halfter und Strick anbringen, damit das Pferd sich nicht selbst belohnen kann.


Geschafft: Nun steht konzentrierter Arbeit nichts mehr im Weg.
Fotos © Verena Rieger-Ziegler


Dieser Artikel ist auch in der Pferderevue erschienen:
Benimmschule: Unwiderstehliches Grün
 
www.SpassMitPferd.at.tf