Spass mit Pferd
Motivation und Harmonie durch positive Bestärkung

Keine Angst vor Wasser

Wenn es um die Körperpflege geht, sind viele Pferde Wasser in seinen unterschiedlichen Ausprägungen nicht gerade wohlgesinnt. Schnell werden Sprühflasche, Gartenschlauch und nasser Schwamm zur ultimativen Bedrohung. Wie man dieses Problem nachhaltig am besten löst, wird in diesem Artikel beschrieben.


Viele Pferde fürchten sich vor Wasser und lassen sich nur ungern waschen. Mit dem richtigen Training gehören Angstzustände vor dem kühlen Nass bald der Vergangenheit an.

Hat ein Pferd Angst vor Wasser, sorgen Gerten oder Führketten zwar für eine erste Kontrolle, lösen das Problem aber nur scheinbar. Der Blick auf Körpersprache, Mimik und Körperfunktionen, wie Atmung oder Muskeltonus, verrät, dass scheinbar ruhig stehende Pferde massiven Stress haben. Mit dem richtigen Motivator können selbst unangenehme Aufgaben positiv besetzt und erfolgreich bewältigt werden.

Ein, wenn nicht der grundlegende Motivator schlechthin, ist Sicherheit durch Kontrolle. Indem man dem Pferd Einflussmöglichkeiten auf unser Tun und Handeln gibt, kann man Angst, Aggression und aversives Verhalten reduzieren. Auf diese Weise zeigt der Mensch seinem Pferd sozial kompatible Wege auf, seine eigenen Wünsche zu vermitteln. So lernt das Pferd seine Umwelt durch friedfertige Absichten zu kontrollieren, eine systematische Desensibilisierung ist die Folge.


Nicht immer ist es der Wasserschlauch oder -kübel, der für Unbehagen sorgt. Auch die Verwendung einer Sprühflasche kann bei Pferden Stress verursachen.


Erfüllen natürlicher Bedürfnisse durch funktionelle Belohnung

Viele Verhaltensprobleme entstehen durch Ereignisse in der Umwelt. Umgebungsreize lösen Wünsche und Nöte aus, die unser Pferd erfüllen möchte. Dieses Erfüllen natürlicher Bedürfnisse nennt man funktionelle Belohnung.Ein Umweltreiz löst ein Verhalten aus, das wiederum zur funktionellen Belohnung führt. Im konkreten Fall stellt beispielsweise das Auftauchen des Wasserschlauchs den Umweltreiz dar, der etwa ein Losreißen verursacht (Verhalten), das wiederum zur funktionellen Belohnung führt: die Distanz zum Schlauch vergrößert sich.

Um die funktionelle Belohnung eines Problemverhaltens herauszufinden, muss man dessen Konsequenzen beobachten – welche Belohnung erhält das Pferd von der Umwelt, anderen Tieren und dem Menschen? Eine genaue Analyse macht sich bezahlt, denn oftmals werden unerwünschte Verhaltensweisen unabsichtlich verstärkt, ohne dass wir es merken. Das Pferd beginnt beim Anblick des Wasserschlauchs nervös zu tänzeln, der Mensch entfernt den Schlauch, um es zu beruhigen, verstärkt damit aber unbewusst sein Fehlverhalten.


Durch Verhaltensweisen wie Losreißen oder Steigen versucht das Pferd die Distanz zum Auslösereiz zu vergrößern.


Pferde erfolgreich desensibilisieren

Doch wie sieht eine erfolgreiche Desensibilisierung nun in der Praxis aus? Am Anfang gilt es mögliche Auslöser zu erkennen und genau zu definieren. Hat das Pferd generell Angst vor Wasser? Scheut es nur vor Pfützen? Lässt es sich mit dem Schlauch abspritzen, nicht aber mit dem Sprühaufsatz? Lässt es sich Rücken und Beine mit Eimer und Schwamm abwaschen, nicht aber die Halspartie? Bricht es schon in Panik aus, sobald es den Wasserschlauch nur sieht oder toleriert es erste Annäherungen? Je genauer Auslösereiz und Reizschwelle definiert werden können, desto effizienter lässt sich später das Problem bearbeiten.


Damit das Pferd den Wassereinmer so gelassen akzeptiert, kann einiges an vorbereitender Arbeit vonnöten sein.

Sobald Auslösereiz (Wasserschlauch) und Reizschwelle (Erscheinen in einem gewissen Abstand) bestimmt sind, wird das Pferd einer abgeschwächten Form des Reizes ausgesetzt. Dabei sollte man unterhalb der Reizschwelle, die das Problemverhalten auslöst bleiben, um dieses nicht zu verstärken und ängstliches Verhalten zu fördern. Nun geht es darum, dass das Pferd den Reiz wahrnimmt und sich damit auseinandersetzt ohne drauf gestresst zu reagieren. Nur so können Lernvorgänge optimal ablaufen.

Zu den erwünschte Reaktionen zählen etwa Hinschauen statt Weglaufen oder Losreißen, Entspannungssignale wie Lecken, Kauen, oder Kopf senken, Körperhaltung und Körperfunktionen, wie beispielsweise einen lockeren Schweif, weiche Augen, eine entspannte Maulpartie, ruhiges Atmen, munteres Ohrenspiel, sowie eine entspannte Körperhaltung. Diese Reaktionen werden mit einem zuvor konditionierten Markersignal, wie dem Clicker, belohnt und dem Pferd damit signalisiert: Das, was du in diesem Moment machst, ist richtig. Auch ein Lobwort ist hierfür geeignet.


Entspannungssignale des Pferdes wie Kauen oder Kopf senken werden gezielt bestärkt. Danach erfolgt die funktionielle Belohnung durch Vergrößerung der Distanz zum Wasserschlauch oder -eimer.



Auch Kauen und Lecken sind ein Entspannungssignale, die belohnt werden, um dem Pferd zu signalisieren: Was du jetzt machst, ist richtig!


Trainingserfolg durch gezielte Belohnung

Im nächsten Schritt erhält das Pferd Zugang zur funktionellen Belohnung, die in diesem Fall die Vergrößerung der Distanz zum Wasserschlauch ist. Dem kann zusätzlich noch eine Belohnung wie Futtergabe, Kraulen, Spielen etc. folgen. Auf diese Weise kann der Pferdebesitzer den Zugang zu funktionellen Belohnungen wie dem Vergrößern der Distanz oder der Wegnahme des Wasserschlauchs gezielt kontrollieren.
Zudem wird ein kompatibles Alternativverhalten erzeugt, das die gleiche Belohnung verdient. Der eigentliche Verstärker ist und bleibt aber immer die funktionelle Belohnung, weshalb zuerst der Auslösereiz entfernt werden muss, damit unser Tier die funktionelle Belohnung bemerkt. Erst im Anschluss erfolgt die Belohnung mit Futter oder anderen Verstärkern.


Ein Spiel mit dem Gartenschlauch dient als zusätzliche Belohnung.

Ist dieser wichtige Schritt erfolgreich installiert, wird man bald feststellen, dass sich die Reizschwelle nach und nach verschiebt. Löst anfangs das reine Auftauchen des Wasserschlauchs stressbedingte Verhaltensweisen aus, kann der Schlauch bald präsentiert werden, ohne dass das Pferd in ein Stressmuster fällt. Dann ist auch der Zeitpunkt gekommen, die Anforderungen zu steigern und die Aufgabe schwieriger zu machen. Jetzt können die Variablen verändert, beispielsweise schrittweise die Distanz verringert, die Stärke des Wasserstrahls oder die Temperatur variiert werden.

Wichtig ist dabei, immer nur eine Anpassung auf einmal in Angriff zu nehmen. Auf diese Weise arbeitet man sich langsam in Richtung Zielverhalten vor. Dabei sollten die Übungseinheiten stets kurz gehalten und Pausen eingeplant werden - speziell wenn das Pferd darum bittet. Spieleinheiten und Bewegung lockern das Training auf und helfen, eventuell angestaute Bewegungsenergie abzubauen.


Spieleinheiten lockern das Training auf.


Optimales Lernen in ruhiger Atmosphäre

Eine ruhige Trainingsatmosphäre erleichtert das Lernen - je mehr Umgebungsreizen unser Pferd ausgesetzt ist, umso heftiger reagiert es auf den Reiz, der das unerwünschte Verhalten auslöst. In diesem Fall spricht man von der sogenannten Sensitivierung. Ebenso entscheidend ist es, das Pferd in eine ruhige Umgebung entlassen und keine aufregenden, anspruchsvollen Übungen anzuhängen, die das Gelernte überlagern könnten. Dies sorgt dafür, dass der Lernstoff optimal abgespeichert werden kann.


In der vertrauten Herde findet das Pferd die nötige Sicherheit, sich an neue Herausforderungen heranzuwagen.

Gelegentlich kann es sinnvoll sein, entspanntes Verhalten gezielt zu trainieren und so in das Verhaltensrepertoire aufzunehmen, hoch zu verstärken und präsent zu machen, bevor man eine Übungseinheit startet. Zu diesem Zweck eignen sich Verhaltensweisen wie Kopfsenken, Kauen oder Gähnen. Ersteres kann man gezielt trainieren – beispielsweise durch schrittweises Formen, indem man kleinste Angebote einer tieferen Kopfhaltung mit dem Clicker markiert und gezielt verstärkt.
Auch ein Target, also ein Zielgegenstand, den das Pferd zu berühren lernt, kann gute Dienste leisten. So lässt man beispielsweise das Pferd die Hand berühren und führt diese dann in Richtung Boden, um das Pferd ins Kopfsenken zu dirigieren. Durch immer unauffälligeres anbieten wird das Handtarget nach und nach ausgeschlichen, bis wir es schlussendlich gegen das spätere Signal eintauscht wird.

Verhaltensweisen wie Gähnen und Kauen können im Alltag eingefangen und an ein Signal geknüpft werden. Ergänzend können vertraute Übungen und Lieblingsübungen das Training auflockern. Eine Matte, auf der das Pferd zu stehen lernt, kann als positiv besetzter Lieblingsort die Situation entgiften. Ebenso geeignet sind Targetübungen oder kleine Tricks wie Ja/Nein-Sagen oder das Halten eines Gegenstands im Maul, die dem Pferd Sicherheit in einer ungewissen Situation geben.


Eine Matte, auf der das Pferd zu stehen lernt, kann als positiv besetzter Lieblingsort die Situation entgiften. Ist die Angst vor dem Wasserschlauch erstmal besiegt, kann er sogar zum Spielobjekt umfunktioniert werden.
Fotos © Verena Rieger-Ziegler


Dieser Artikel ist auch in der Pferderevue erschienen:
Keine Angst vor Wasser
 
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